»Die Judenmadonna« erzählt die Geschichte eines außergewöhnlichen Kunstwerkes und einer Liebe, die das Unmögliche überwindet. Golda, die Tochter einer jüdischen Familie aus Bergheim im Elsass gerät in eine folgenreiche Beziehung mit dem Colmarer Maler Martin Schongauer. Im Jahr 1473 bildet er sie als »Madonna im Rosenhag« ab. Doch Schongauer, wie die meisten seiner Zeitgenossen ein Judenfeind, ahnt nicht, dass seine Geliebte als Tochter eines jüdischen Rosshändlers geboren wurde. Als ihre Identität durch den Inquisitor Heinrich Institoris, den Verfasser des »Hexenhammers«, aufgedeckt zu werden droht, muss sie aus Colmar fliehen.

 

Antje Sievers lässt in ihrem glänzend recherchierten Roman eine entschwundene jüdische Welt wieder lebendig werden, wie sie überall in Europa einmal zum Alltag gehörte. Dabei verwebt sie historische Fakten, wie den enormen Einfluss der gerade erfundenen Buchdruckkunst und den beginnenden Hexenwahn mit detailreichen Schilderungen des Künstlermilieus und des jüdischen Alltagslebens zu einem farbenprächtigen Panorama des ausgehenden fünfzehnten Jahrhunderts.

 

Martin wartete gespannt auf ihr Urteil.

»Es ist sehr kunstvoll, Meister Martin. Und sehr lebendig. Und es hat soviel Bewegung«, sagte sie endlich und lächelte unsicher.

Martin kannte sie doch schon gut genug, um zu erkennen, dass sie ihm nicht die volle Wahrheit gesagt hatte.

»Nun sag schon ruhig, was dir daran nicht gefällt, Gertrud!«

»Nun, es gefällt mir ja. Nein, wirklich. Der Riss ist von größter Meisterschaft, das ist keine Frage. Aber, wisst Ihr, es fällt mir immer schwer, die Qualen eines Menschenkindes zu sehen. Die Pein überhaupt. Ich kann auch nie Vergnügen finden an den Bränden, wenn Ketzer auf dem Scheiterhaufen stehen oder wenn sie einen Bösewicht auf dem Markt auf das Rad flechten. Alles kommt von weit her angefahren und man steht dann dort herum und gafft und hat sein Vergnügen daran, aber mir wird immer schlecht davon, und ich kann die Schreie dieser Unglücklichen nicht hören, ohne zu weinen. Ich weiß ja, dass es meist Verbrecher sind, die man so bestraft, aber glaubt mir, Meister, ich ertrage es nur schwer!«

Martin wiegte den Kopf. Dann sprach er zögerlich: »Nun, das verstehe ich schon, Gertrud. Mir geht es da oft auch nicht anders als dir. Aber ist das alles, was dich stört? Oder ist da doch noch etwas anderes?«

Da wies Golda mit dem Finger auf einen abstoßenden Mann mit Hakennase, der die Christusfigur mit einem hoch aufschwingenden Tau schlug, und auf einen anderen, der hohnlachend das schwere Kreuz erst recht auf seine Schultern zu drücken schien und fragte: »Warum habt Ihr diese Leute hier so besonders hässlich gemacht, Meister?«

»Nun, weil es Juden sind!«

 

LESEPROBE

ISBN 978-3-95602-219-7
392 Seiten, Premium-Taschenbuch
18,00 €

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